KUNST macht das Leben reicher!
Ansprache zur Eröffnung der Ausstellung "Höhenluft #13" mit Werken von Janis Eckhardt, Jordan Madlon und Martin Pöll im Kunstverein Wilhelmshöhe Ettlingen (14.06.2017)
Jeder hat eine andere Vorstellung davon, was Kunst ist. Aber alle,
die du fragst, welchen Effekt Kunst in ihrem Leben hat – egal ob
Kunstkonsumenten oder Künstler – werden in Einem übereinkommen: Kunst macht das Leben reicher.
Das ist die Gemeinsamkeit zwischen Künstlern und Leuten, die Kunst bloß konsumieren. Zwischen dem, was Künstler und Leute, die Kunst bloß konsumieren, über Kunst denken: Kunst macht ihr Leben reicher.
Egal ob sie spontan antworten oder ewig nachdenken, „Kunst macht
das Leben reicher“ wird ihrer Meinung nach die am besten geeignete Antwort
sein.
Und „Kunst macht das Leben reicher“ ist im ersten Augenblick ein so starker Satz. So herrlich einfach
und hat gleichzeitig etwas Magisches – wie gute Kunst selbst also.
Nichts, könnte man meinen, bringt so treffend, wie dieser kurze
Satz, die Wirkung von Kunst auf das Leben der Menschen auf den Punkt. Und wenn sich darin sogar alle einig sind, weil ja
alle das gleiche antworten – zwar unterschiedliche Illustrationen liefern, wie genau Kunst
ihr Leben reicher macht, die im Kern jedoch alle genau das gleiche
ausdrücken –, dann
muss es sich dabei wirklich um die wahre Bedeutung von Kunst handeln: Kunst
macht das Leben reicher.
Gleichzeitig ist er aber ziemlich unmutig und leer und hört sich,
wenn man genauer darüber nachdenkt, so an, als hätten alle, vor allem das
Kunstpublikum, das Wörtchen „reicher“ nicht verwendet, weil sie damit etwas Konkretes sagen
wollten oder ausdrücken könnten, sondern bloß aus Ehrfurcht vor der Kunst beziehungsweiße davor, was sie sich unter Kunst vorstellen.
Sodass ihnen jede andere
Zuschreibung, abgesehen von „reicher“, unangemessen vorgekommen wäre.
Daher
kommt es auch – weil dieser Satz so magisch klingt und so unmutig zugleich ist
–, dass er sich anhört,
wie einer jener Sätze, die in Interviews in Hochglanzmodemagazinen, fett
gedruckt und farblich hervorgehoben wurden, neben Abbildungen des Künstlers im
Grobstrickcardigan, mit einem Coffeetable-Book auf dem Sofa lümmelnd, im
cleanen Studio oder vor einer schönen Kulisse. In den selben Hochglanzmodemagazinen,
in denen man auch Artikel über Ivanka Trump findet.
Zwischen
„Kunst macht das leben reicher“ und dem Hashtag „WomanWhoWork“, der am Label
der Highheels von Ivanka Trump klebt besteht kein Unterschied. Man könnte bei „Kunst
macht das Leben reicher“ genauso auch an Highheels, lackierte Fingernägel und
an Ivanka Trump. „Kunst macht das Leben reicher“ könnte auch ein Wandtattoo sein.
© Amazon
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Ist
das nun eine Armutszeugnis für die Kunst? Heißt das, dass es sich bei Kunst,
Mode und Werbung um dasselbe handelt? Dass die Kunstindustrie genauso oberflächlich
ist, wie die Werbe-oder Modeindustrie? Oder
heißt es, dass hinter „Kunst macht das Leben reicher“ – auch wenn dieses „reicher“ mit
einem „mode-„ oder „werbeschön“ gleichzusetzen ist – tatsächlich die wahre Wirkung von Kunst
steckt und dass sich hinter begriffen, wie „Schönheit“, „Genuss“ und „Anspruch“ –
im Englischen klingen sie noch besser: „wealth“, „beauty“, „perfection“ – die
selbe gleiche, tiefe, wahre Bedeutung verbirgt, wie hinter „Kunst macht das
Leben reicher“.
Es
geht doch bei der Vorstellung, die alle
Antwortgeber davon haben, was Kunst bei ihnen oder in ihnen bewirkt, die alle
Antwortgeber vom Effekt der Kunst haben, seien es Produzenten oder Konsumenten,
vor allem darum, dass Kunst (1) mit einem selbst etwas macht und (2) Kunst das Leben lebenswerter macht.
Die Zeit nicht mehr davonrennt, angehalten wird, wenigstens für den Moment des
Kunstgenusses beziehungsweiße für den Zeitraum des kreativen Schaffens (im
Falle des Produzenten) oder besser gesagt, dieses Verrinnen der Zeit durch eine
Überfülle an Eindrücken kompensiert wird, sie in besonderem Maß stimuliert
werden, sich besonders intensiv mit ihren Träumen, Wünschen und Sehnsüchten
befassen können und daraus resultierend zufriedenere, interessantere
glücklichere oder zumindest erleichtertere Menschen werden.
Von Kunst versprechen wir uns also das,
was uns von der Mode und der Werbung versrochen wird.
Es geht um ein besseres Leben, darum zu einem besseren Mensch geformt zu werden, es geht darum,
das Beste aus dem Leben zu machen.
Aber das ist nur ein mögliches
Beispiel, eine mögliche Definition von Kunst... Ich
gebe ihnen noch eine andere: Große Kunst, sagt man, ist etwas das einen ganz
heftig, tief im Innersten berührt, man spricht vom Erhabenen. Große Kunst ist so
wie Barack Obama.
Auf
Youtube findet sich eine Rede von ihm, die er im Juni 2015 in einer Kirche in
Charleston gehalten hat, nachdem dort, in Charleston, eine 21-jähriger Weißer
neun Schwarze getötet hat.
Obama
endet seine Rede damit, dass er dreimal „Amazing Grace“, „Amazing Grace“, „Amazing
Grace“ sagt. Und stimmt am Schluss, womit keiner gerechnet hat, das Lied
„Amazing Grace“ an, und alle stehen auf, reißen die Hände nach oben, fangen an
zu applaudieren, bekommen Tränen in den Augen und fangen an mitzusingen. Und
ich selbst war beim Anschauen so gerührt wegen Obama, dass ich auch Tränen in
den Augen hatte. Auch das ist für mich Kunst.
Omama singt "Amazing Grace"
Ich
kann ihnen nur erzählen „Kunst macht das Leben reicher“, aber sie spüren, wenn
sie das Video nicht gesehen, nicht das, was ich gespürt habe, und wer nur das
Video gesehen hat, spürt nicht dasselbe, wie die Leute, die live dabei
waren als Obama „Amazing Grace“ sang. Hier und heute aber (Anm.: Gemeint war die Ausstellung.) haben Sie die Möglichkeit
live zu sehen und live zu spüren, ich würde sogar zu behaupten, live zu sehen und zu
spüren, was Kunst ist.