🌟Kunst macht das Leben reicher🌟
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Das hat natürlich auch Auswirkungen auf meine eigene Kunstauffassung: „Kunst macht das Leben reicher“ bedeutet für mich, nichts mehr tuen zu müssen, was mir nicht gut tut. Und
das hat das Kunstmachen oftmals getan.
Ich kann also nicht weiter machen wie vorher. Denn bisher
war für mich das Erkennungsmerkmal von großer Kunst immer, dass ich mich für sie
aufopfern und alles geben muss. Das Gefühl, besser habe ich es nicht hinbekommen,
war für mich alles, worauf es in der Kunst ankommt. Der einzige Weg, Kunst
entstehen zu lassen.
Wie aber passt dieses permanent Sich-Aufopfern zum
positiven Effekt, den Kunst für einen selbst haben soll? Ist das nicht ein
Widerspruch?
Er liegt für mich aber nicht darin, dass man sich für Kunst aufopfern muss, denn ich muss mich tatsächlich verausgaben, damit es
mir gut geht. Sondern darin, sich für selbsterfundene Dinge, wie Kunstwerke, aufzuopfern. Meint Kunst nicht
eher das Leben selbst? Ist Kunst nicht eher eine Art zu leben? Sodass es einen unmittelbaren Effekt auf mein eigenes Leben hat, wenn ich mich
für die Kunst aufopfere. Ist das nicht erstrebenswerter?
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Kunst steht für ein besseres Leben
Ist es nicht wunderbar, dass sich Künstler und
Kunstliebhaber, was die Wirkung von Kunst auf ihr Leben angeht, so einig sind? Und
dass diese Wirkung dazu noch etwas so Großes und Kraftvolles ist? Nämlich dass
Kunst für ein besseres Leben steht: Kunst macht das Leben reicher.
Und ich merke, wie ich beim Aussprechen von meinen Gedanken fortgetragen
werde in meine Idealvorstellung einer Welt.
Und ich freue mich darüber, dass so viele Leute etwas
Schönes mit Kunst verbinden, dass Kunst jedem, der sich mit Kunst befasst, so
viel bedeutet. Kunst macht das Leben reicher. Und ich habe kein Problem damit,
dieses Gefühl mit anderen zu teilen, obwohl es für mich früher, für meine
Persönlichkeitsbildung, um mich zu einer starken, unabhängigen und
eigenständigen Person zu entwickeln, ganz wichtig war, dass andere speziell mich
irgendwie dieser exklusiven Kunstszene zuordnen und dass meine Berechtigung für diese Zugehörigkeit zum Bereich Kunst der Unterschied zwischen
mir und anderen ist. Und dass Kunst mich einzigartig macht.
A Single Man (2010) R: Tom Ford |
Im ersten Augenblick ein starker Satz
Kunst macht das Leben reicher. Im ersten Augenblick ist das ein so starker Satz. So herrlich einfach und hat gleichzeitig etwas Magisches – wie gute Kunst selbst also. Nichts könnte man meinen, bringt so treffend, wie dieser kurze Satz, die Wirkung von Kunst auf das Leben der Menschen auf den Punkt. Und wenn sich darin sogar alle einig sind, weil ja alle das gleiche antworten – zwar unterschiedliche Illustrationen liefern, wie Kunst ihr leben reicher macht, die im Kern jedoch alle genau das gleiche ausdrücken – dann muss es sich dabei wirklich um die wahre Bedeutung von Kunst handeln: Kunst macht das Leben reicher.
Gleichzeitig ist er aber ziemlich unmutig und leer und hört
sich, wenn man genauer darüber nachdenkt, so an, als hätten alle, vor allem das
Kunstpublikum, das Wörtchen „reicher“
nicht verwendet, weil sie damit etwas Konkretes sagen wollten oder
ausdrücken könnten, sondern bloß aus Ehrfurcht vor der Kunst beziehungsweiße
ihrer eigenen Vorstellung von Kunst (wie wichtig das, was jeder Einzelne mit
Kunst verbindet, für das richtige Verständnis von Kunst ist, darauf werde ich später
noch kommen), sodass ihnen jede andere Zuschreibung, abgesehen von „reicher“, unangemessen
vorgekommen wäre.
Daher kommt es auch – weil dieser Satz so magisch klingt und
so unmutig zugleich ist –, dass er sich anhört, wie einer jener Sätze, die in
Interviews in Hochglanzmagazinen fett gedruckt und farblich hervorgehoben
wurden, neben Abbildungen des Künstlers vor einer schönen Kulisse.
Julian Schnabel © Globe Photo / Wiqan Ang
Julian Schnabel © GQ Germany
|
Trotzdem glaube ich, dass sich hinter „Kunst macht das Leben
reicher“ tatsächlich die wahre Wirkung von Kunst verbirgt, und er alles, was
Kunst ausmacht, in fünf Worten zusammenfasst. Kunst macht das Leben reicher – auch
wenn dieses „reicher“ so nichtssagend bleibt, dass sich davon ausgehend keinerlei
Rückschlüsse auf das wahre Wesen der Kunst ziehen lassen.
Mehr als ein undefinierbares Gefühl ruft dieses „reicher“ nämlich nicht
hervor. Aber vielleicht hat ja zumindest dieses Gefühl wirklich etwas Wahres
und vielleicht geht es bei Kunst ja auch gerade genau um dieses Gefühl. Und
weil auch in mir dieses Gefühl geweckt wird und weil auch ich glaube, dass
Kunst das Leben reicher macht, versuche ich hinter das Geheimnis dieses
„reicher“ zu kommen.
"reicher" klingt wie „mode-„ oder „werbeschön“
Deshalb nochmal: Wenn du normale Leute, fragst, welche
Bedeutung Kunst für sie hat, werden sie dir antworten, dass Kunst ihr Leben reicher
macht. Und auch ein Künstler – egal, wie viel ihm das Kunstmachen auch
abverlangt, wie sehr ihn das Kunstmachen auch zur Verzweiflung oder Weißglut bringen mag –
wird sagen, dass Kunst das Leben reicher macht. Obwohl das wie ein Satz aus
einer Illustrierten klingt oder schlimmer noch, sogar ein Wandtattoo sein könnte.
Und auch wenn dieses „reicher“ nicht mit einem „mode-„ oder
„werbeschön“ gleichsetzbar ist, halte ich, den Vergleich zwischen Kunst und
einem Hochglanzblättchen nicht für ganz so abwegig, um hinter die wahre Bedeutung
von Kunst zu kommen und den Effekt von Kunst auf ein Leben zu verstehen, geht es doch aber bei der Vorstellung, die alle Antwortgeber davon haben, was Kunst bei
ihnen oder in ihnen bewirkt, die alle Antwortgeber vom Effekt der Kunst haben, seien
es Produzenten oder Konsumenten, vor allem darum, dass Kunst das Leben
lebenswerter macht. Die Zeit nicht mehr davonrennt, angehalten wird, wenigstens
für den Moment des Kunstgenusses (im Falle des Rezipienten) beziehungsweiße für
den Zeitraum des kreativen Schaffens (im Falle des Produzenten) oder besser
gesagt, dieses Verrinnen durch eine Überfülle an Eindrücken kompensiert wird, sie in besonderem
Maß stimuliert werden, sich besonders intensiv mit ihren Träumen, Wünschen und
Sehnsüchten befassen können und daraus resultierend zufriedenere,
interessantere glücklichere oder zumindest erleichtertere Menschen werden.
Es geht also um den gleichen Effekt wie in der Mode und Werbung. Also doch irgendwie Hochglanzmagazin. Und es ist nicht einmal ein Widerspruch, dass zur Wirkung von Kunst genauso auch Aufrütteln, Aufwecken und vor den Kopf Stoßen gehören, weil diese ja nicht zwangsläufig als etwas Negatives wahrgenommen werden. Trotzdem würde Kunst nicht durchweg als etwas Positives gelten, würde sie einem nicht überwiegend ein Gefühl von Genuss, Schönheit, Zeitlosigkeit und Glück schenken. Gefühlsempfindungen, auf die auch die Mode, die Werbung und die Unterhaltungsindustrie aus sind.
Es geht also um den gleichen Effekt wie in der Mode und Werbung. Also doch irgendwie Hochglanzmagazin. Und es ist nicht einmal ein Widerspruch, dass zur Wirkung von Kunst genauso auch Aufrütteln, Aufwecken und vor den Kopf Stoßen gehören, weil diese ja nicht zwangsläufig als etwas Negatives wahrgenommen werden. Trotzdem würde Kunst nicht durchweg als etwas Positives gelten, würde sie einem nicht überwiegend ein Gefühl von Genuss, Schönheit, Zeitlosigkeit und Glück schenken. Gefühlsempfindungen, auf die auch die Mode, die Werbung und die Unterhaltungsindustrie aus sind.
Selbstverwirklichung
Ist das nun ein Armutszeugnis für die Kunst? Heißt das, dass
die Kunstindustrie genauso oberflächlich ist, wie die Werbe- oder Modeindustrie? Wenn man an die fabrikmäßige Herstellung von
Kunstwerken nach den Geschmäcken und Vorlieben der Sammler und den Vorgaben des
Marktes denkt, könnte man glatt zu diesem Glauben gelangen. Oder bedeutet es,
dass hinter Begriffen wie Schönheit, Genuss, Anspruch – im Englischen klingen sie
noch besser: „wealth“, „beauty“, „perfection“ – eine gleiche tiefe, wahre
Bedeutung liegt, wie hinter „Kunst macht das Leben reicher“.
Und dass deren
Oberfläche, also das, wofür sie augenscheinlich stehen, obwohl sie in Wahrheit alle eine
tiefere Bedeutung besitzen (ich behaupte sogar, alle die selbe tiefe Bedeutung,
wie „Kunst macht das Leben reicher“), von der Branche nur – wie Kritiker sagen
– „missbraucht“ wurde.
Ich habe nichts gegen diesen Missbrauch. Im Gegenteil: Ich
finde ihn nachvollziehbar, weil Mode, Werbung und Unterhaltung wie die Kunst
mit Träumen operieren und weil ich glaube, dass hinter jedem Modefoto, hinter
jedem fett hervorgehobenen Satz in einem Interview in Hochglanzmagazinen, eine
abstrakte Vorstellung von etwas liegt – die selbe abstrakte Vorstellung, die
auch hinter dem Reichtum, der Reichhaltigkeit und Fülle in „Kunst macht das
Leben reicher“ liegt, die selbe abstrakte Vorstellung, die meiner Meinung nach
auch hinter der Kunst selbst steckt, die selbe abstrakte Vorstellung, von der
ich nicht ganz sicher bin, ob es sich bei ihr nicht eigentlich um die Kunst
selbst handelt.
© GQ Germany
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Es ist doch schön, dass die Mode, die Werbung und die
Unterhaltung, diese abstrakte Vorstellung auf Begriffe gebracht haben, mit
denen jeder etwas anfangen kann. Und dass diese abstrakte Vorstellung mit
Begriffen, wie „perfection“, Genuss, „beauty“ und „lifestyle“ zusammenhängt, die
von der Mode, Werbung und Unterhaltung vereinnahmt wurde und dass wir dabei
deshalb an lackierte Nägel denken, an Ivanka Trump und an Norman Bates aus
American Psycho, ist, finde ich, gar kein Armutszeugnis, sondern steht im
Gegenteil für die größte Errungenschaft unserer Zeit: Die
Selbstverwirklichungsindustrie oder Traumindustrie, zu der Mode, Werbung,
Social Media und auch die Kunst gehören, die uns vor Augen hält, welch ein
wichtiges Gut Selbstverwirklichung heute in der Gesellschaft darstellt.
Vielleicht hilft dieser Vergleich sogar dabei, endlich den Fehlglauben zu beheben, dass sich aus der Entscheidung Kunst zu machen, automatisch ergibt, dass man sich auf das eigene Glück verlässt, sich gehen lässt, weil Kunst ja das eigentlich Wichtige ist und nicht man selbst.
Wenn wir heute also in der Werbung oder in Magazinen,
geschönte Bilder von teuren Produkten, tollen Orten und wunderschönen Menschen
sehen, dann geht es nicht darum, uns Dinge zu verkaufen, sondern dann reagiert
die Industrie einfach nur auf unseren eigenen Wunsch, uns selbst zu verwirklichen,
unsere Träume auszuleben und uns selbst zu optimieren, weil mit der Möglichkeit
sich selbst verwirklichen auch die Ansprüche, die man an sich selbst hat,
wachsen.
Daher frage ich: Haben die Modeindustrie und Werbung mit
Botschaften wie „#ImPerfect“, „#WomenWhoWork“ oder „strong and beatiful“ die
wahre Wirkung von Kunst nicht genauso auf eine eindeutige Formel oder
Schlagwörter gebracht, wie es der Slogan „Kunst macht das Leben reicher“ tut? Und sind sie nicht näher dran an der wahren
Wirkung von Kunst, als alle realen Kunstwerke, hinter denen der Künstler seine "egoistische" Absicht, sich selbst zu verwirklichen, die jeder hat, und die sich die Werbung und Mode zu Nutzen macht, bloß verbirgt?
Überhaupt macht das Zustandebringen von Kunstwerken, das
Arbeiten an Kunstwerken diesen ursprünglichen Gedanken von Selbstverwirklichung
ganz vergessen, weil ja ein Leben für die Kunst völlige Hingabe erfordert – bis zur
Selbstaufopferung –, sodass dieser ursprüngliche Wunsch nicht nur völlig in
Vergessenheit gerät, sondern auch ganz und gar unangemessen erscheint
angesichts, dessen, was man alles zur Erschaffung von Kunst aufbringen muss.
Auch wenn der Wunsch sich selbst zu verwirklichen eigentlich nicht deutlicher
erkennbar sein könnte, nirgendwo deutlicher zum Ausdruck kommt, als im Entschluss Kunst zu machen.
Worum geht es in „Kunst macht das Leben reicher“?
„Kunst macht das Leben reicher“ hilft uns zu diesem ursprünglichen Gedanken zurückzufinden. Ich will erläutern, worum es meiner Meinung nach in „Kunst macht das Leben reicher“ geht: In „Kunst macht das Leben reicher“ und der abstrakten Vorstellung, die dem Kunstbegriff darin zu Grunde liegt, stecken meiner Meinung nach drei unterschiedliche Wirkungen von Kunst, die sich alle mit „Kunst macht das Leben reicher“ überschreiben lassen: Kunst ist (1) ein wichtiger Bestandteil des Selbstbilds, der Selbstkonzeption eines Menschen, bei Kunst geht es um (2) Life-Work-Balance und um (3) Dinge-Verarbeiten.Selbstkonzeption
(1): Kunst und alles, was zur Kunst dazugehört, die
Kunstwelt, das Klischee vom Künstler, alles, was ein Mensch mit Kunst in Verbindung
bringt (Schönheit, Erhabenheit, Glanz, Glamour, Gefühl, Geheimnis, Magie,
Tiefgründigkeit und Tiefsinnigkeit), sind Bestandteile der Selbstkonzeption eines
Menschen, durch die er ein seiner Vorstellung nach besseres Leben zu erreichen
versucht.
Bei „Kunst macht das Leben
reicher“ geht es nicht darum, was ein einzelnes Kunstwerk – das gilt für den
Besitz, die Rezeption und die Produktion von Kunst gleichermaßen – mit einem
macht, welche Gefühle es in einem auslöst, welche Denkanstöße es liefert. Also
nicht Kunsterfahrung im Sinne des Kontakts mit einem Kunstwerk und die Reaktion
darauf. Ein einzelnes Kunstwerk ist in diesem Modell sogar gänzlich
bedeutungslos, egal wie tief im Innersten einen auch berühren mag. Sondern es
geht um alles, was zur Vorstellung
von Kunst dazugehört und zum Teil der Selbstkonzeption eines Menschen wird.
Künstler und Vernissage-Besucher in St.Agnes © Getty Images |
Es handelt sich daher trotzdem um ein Reiz-Reaktionsmodell. Nur nicht
zwischen Kunstwerk und Betrachter, sondern zwischen Entwickler eines
Selbstkonzepts und Vorstellungen, die mit Kunst verknüpft sind. Ein Mensch
macht Kunst zum Bestandteil seiner Selbstkonzeption, mit der er ein besseres
leben zu erreichen versucht. Kunst wird aufgrund aller Vorstellungen, die mit
Kunst verbunden sind – die sogar unabhängig sein können von persönlichen Erfahrungen mit realen
Kunstwerken – zur Säule eines besseren Lebens. Damit kommt Kunst die selbe
Bedeutung zu, wie für Bodybuilder Ernährung und Bewegung, die selbe Bedeutung
wie für andere Leute Statussymbole, wie ein Porsche 911er, eine Rolex oder Birkin Bag, die über ihren Wert als teure Verkaufsobjekte (die Kunstwerke ja im Grunde
ebenso sind) eine viel größere Bedeutung für einen Einzelnen haben können –
darüber hinaus eine eigene Geschichte besitzen, die einem die Werbung erzählt,
mit einem Lebensgefühl verbunden werden und mit konkreten Personen, Vorbildern
in Verbindung gebracht werden – und lebensveränderten Einfluss auf einen
Menschen nehmen können, weil er in ihnen alle seine Vorstellungen eines anspruchsvollen
Lebens bündelt, sie zum Symbol eines besseren Leben macht und sie ihm dabei
helfen, dies wirklich umzusetzen, indem sie als Leitstern dienen.
Um die selbe Art von All Time-Favorites, die mit
Vorstellungen eines besseren, schöneren anspruchsvolleren Lebens verbunden
sind, wie die Rolex, der Porsche oder die teure Handtasche, handelt es sich also
auch bei der Kunst. Und es geht dabei nicht um Luxus, auch wenn es sich bei
Kunstwerken natürlich um Luxusgüter handelt, sondern um Anspruch. Kunst als Attribut
eines anspruchsvolleren Lebens. Beim Erlangen von Schönheit, von Fitness, beim
Kauf einer Rolex, eines Porsche, einer Birkin-Bag, beim Kauf von Kunst, beim
Genuss von Kunst, bei Herstellen von Kunst, beim sich selbst verwirklichen geht
es im Kern um genau das Selbe: Würde-Erlangen. Mehr Selbstzufriedenheit.
Ein positiveres Lebensgefühl.
Diesen Effekt beschreibt auch der Satz „Kunst macht das Leben
reicher“. Es geht bei Kunst also nicht um die tiefe Berührung mit einem
einzelnen Kunstwerk, die egal wie stark sie auch sein mag, wie tief und heftig
sie einen auch ergreifen mag und auch wenn dies als Zeichen für große Kunst erachtet
wird, bloß temporär ist und daher zweitrangig bleibt. Sondern es geht darum,
welchen Einfluss die Vorstellung eines einzelnen von Kunst, wenn er Kunst zur
wichtigen Säule seines Selbstentwurfs macht auf die Ausgestaltung eines gesamten
Lebens nimmt.
Life-Work-Balance
(2): Wenn Menschen sagen, Kunst macht ihr Leben reicher,
dann verwenden sie „Kunst“ in Abgrenzung zu „Alltag“, dann geht es um
Life-Work-Balance. Die meisten Menschen konsumieren Kunst in ihrer Freizeit, im
Urlaub, am Wochenende, nach Feierabend. In den gleichen Momenten, in denen sie
auch Modemagazine lesen und Werbung schauen würden. Um sich treiben zu
lassen, sich inspirieren zu lassen, es sich gut gehen zu lassen. Ich denke,
dass es bei so einem Kontakt des Publikums mit Kunst – beim Kunstproduzieren
ohnehin – weniger ums Nachdenken über Kunst, sondern ums Nachdenken über sich
selbst geht und dass es beim Besuch einer Ausstellung in Wirklichkeit nicht um
die darin ausgestellten Kunstwerke, sondern vor allem um Zeit für sich selbst
und mit sich selbst geht.
Arbeiten an sich selbst
(3): Man kann mir vorwerfen, dass ich dieses Bild von Kunst
nur habe, weil ich mich für modischer, schöner, gepflegter und durchtrainierter
halte als andere. Weil ich mehr dafür getan habe, an das Bild heranzureichen,
das uns die Mode und die Werbung vorgeben – und daraus den Glauben schöpfe,
mehr mit Kunst zu tuen zu haben, als andere.
Aber im Gegenteil: Ich denke, ich war viel unzufriedener mit mir als andere. Bin viel weniger mit mir selbst klargekommen als andere. Habe viel stärker den Drang verspürt mich zu verändern und deshalb zur Kunst gefunden: Die Kunst als Ausweg gesehen.
Aber im Gegenteil: Ich denke, ich war viel unzufriedener mit mir als andere. Bin viel weniger mit mir selbst klargekommen als andere. Habe viel stärker den Drang verspürt mich zu verändern und deshalb zur Kunst gefunden: Die Kunst als Ausweg gesehen.
Auch wenn ich keine Antwort auf die Frage „Was ist Kunst?“
habe, würde ich deshalb niemals an der Existenz von Kunst zweifeln. Weil die Kunst mir wirklich geholfen hat, weil ich ihre Wirkung wirklich
gespürt habe, weil ich durchs Kunstmachen ein glücklicherer,
zufriedener, stärkerer Mensch geworden bin.
Ich wiederspreche daher ganz
lauthals jeder Definition die sagt, dass Kunst nutzlos sei oder
dass sich die Wirkung von großer Kunst noch immer mit Magie oder dem Einbruch
von etwas Göttlichem vergleichen lasse, weil sie nicht erklärbar sei. Weil der Künstler nicht wisse, wie er dieses
große Kunstwerk zu Stande gebracht hat und der Betrachter auf unerklärliche
Weise, davon ganz tief im Innersten berührt werde.
Dadurch kann aber niemand wirklich
von der Kunst profitieren, niemand einen Nutzen aus der Kunst ziehen. „Kunst
macht das Leben reicher“ stünde dann nur für den kurzen Moment der tiefen
Berührung (Rezipient) und den Moment des
Wunderns über sich selbst, weil man nicht weiß, wie man ein großes Kunstwerk zu
Stande gebracht hat (Produzent).
Ich glaube nicht, dass Kunst machen etwas Magisches ist,
sondern dass es Kunst wirklich gibt. Kunst meint aber nicht Kunstwerke, sondern: Kunst meint die Arbeit an sich selbst und den Effekt, der sich aus dieser Arbeit ergibt und den jeder bei sich selbst wahrnehmen, den jeder bei sich selbst spüren kann.🌟