Dienstag, 25. Juli 2017

KUNST und Leistung


Dass Kunst etwas mit Leidenschaft zu tun hat, man könnte auch sagen, dass Kunst für Leidenschaft steht, ist etwas ganz Selbstverständliches. Nicht aber, dass Kunst für Leistung steht.
Kunst mit Leistung, mit Karrieredenken, gar mit Karrieregeilheit (auch wenn Karrieregeilheit für mich nichts Negatives ist) in Verbindung zu bringen, wird öffentlich geahndet. Als ebenso schlimmes Vergehen wie das verbale Abkotzen Winfried Kretschmanns, Baden-Württembergs grünem MP, auf deren Bundesparteitag über die von den Fundis aus seiner Partei geforderte Elektroautoquote, das heimlich von irgendjemand mitgefilmt und von Rechten dann geleakt wurde.
Nein, dass Kunst ganz viel mit Leistung zu tun hat, ist nicht bloß eine tolle Wortspielerei, auf die ich gekommen bin, weil sich „Leistung“ und „Leidenschaft“ irgendwie gleich anhören. Sonst würde ich dem Thema wohl kaum einen ganzen eigenen Beitrag widmen.
Natürlich hat Kunst auch mit Leidenschaft zu tun, ist Kunst am Anfang eine ganz große Passion. Irgendwann aber, nach einer gewissen Zeit, wünscht sich, behaupte ich, aber doch jeder automatisch, dass aus Leidenschaft ein Beherrschen wird.
Als Fußballer trainiert man dann einfach mehr oder übt länger und intensiver, wenn man Musiker werden will. Aber in der Kunst? (mehr dazu: KUNST und Sich-Radikalisieren)
Für mich sind Kunst und Leistung Synonyme, ist Kunst ein Synonym für Leistung und alle Begriffe, die zum Wortfeld „Leistung“ dazugehören. Für alles, was sich unter dem Oberbegriff „Leistung“ zusammenfassen lässt, wie etwa Erfolg, Effizienz, Selbstoptimierung, Zufriedenheit und Einsatz.
Ein Facebook-Freund meinte kürzlich ein einem Kommentar zu meinen letzten Post, das Ganze würde sich anhören wie der Jargon von Marketingberatungsfirmen. Wäre dieser nicht meistens völlig sinnentleert, würde ich das nicht einmal als Kritik ansehen. Schließlich rücke ich Kunst absichtlich in die Nähe von Business und Karriere. Weil ich damit etwas deutlich machen will. Auch wenn ich dabei auf gewaltigen Wiederstand stoße.
„Kunst ist doch das einzige Feld, in dem es noch nicht um Leistung geht und das ist doch gerade das Schöne!“, hat einer meiner Kommilitonen mal geklugscheißert, als ich ein Youtube-Video gemacht habe, in dem es um das gleiche Thema ging.
Ich sehe das natürlich anders! Aber woher kommt meine neoliberale Kunsthaltung?
Ich verrate euch jetzt mal, was mich zu dem gemacht hat, was ich jetzt bin: Ich lese gerne Feuilletons, habe unglücklicherweise aber die schlechte Angewohnheit, nicht darüber hinweglesen zu können, was andre darin über Kunst schreiben. Und weil ich selber Künstler bin, stelle ich immer wieder fest, um wie viel Stuss es sich dabei handelt.
Kunstkritiker tun in ihren Texten immer so, als sei Kunst eine von außen beschreibbare, fest definierte Größe oder Einheit, als könnten sie wie Sportjournalisten, die beim Fußball automatisch auch über Tore berichten, anhand all dessen was sie bisher gesehen haben (aber nie selbst gemacht haben!) automatisch auch festlegen, was Kunst ist. Schlimmer noch sogar: Als gäbe es einen allgemeinen Konsens darüber, was Kunst ist, den sie zwar nicht benennen können (niemand kann das), aber anhand von Kunstwerken beschreiben und zwar mit dem allergrößten Schwulst, der ihnen einfällt. Und dies als ihre oberste Aufgabe ansehen.
Man könnte sagen, sie unterliegen dem Trugschluss, dass Leidenschaft alles ist. Sie überschlagen sich förmlich mit ihrer Leidenschaftlichkeit. „Das Schreiben über Kunst hat das Beschreiben der Wahrheit verloren.“, beschreibt Nicole Zepter diesen Zustand in ihrem Buch „Kunst hassen“.
Dann doch lieber wie ich: Ich will, dass jeder versteht, worum es bei Kunst geht, auch wenn ich mich dabei anhöre, wie ein Werber, wie ein Marketingstratege oder wie ein Personaltrainer im Fitnessstudio, dessen fette Ader an der Stirn noch dicker anschwillt, wenn er seine übergewichtigen Kunden mit kurzen, knackigen Anweisungen zum Schwitzen bringt: Leistung! Leistung! Leistung!
Kunst ist in erster Linie eine Erfindung. Meine Erfindung. Die Erfindung eines Künstlers. Niemand weiß, was Kunst ist, aber jeder kann Kunst machen. Deshalb geht es bei Kunst ums Erfinden. Und ich will, dass das jeder versteht – auch richtig versteht. Denn man könnte es nämlich so auch auslegen, ich würde behaupten, dass Kunst bloß ein ganz großer Bluff ist.
Im Gegenteil: Ich meine das alles durch und durch positiv. Nämlich dass durch die Kunst jeder die Möglichkeit hat, zu sein, wer er sein möchte, zu tun, was er tun will – er muss nur die nötige Leistung dafür aufbringen. Bei Kunst geht es also ums Sich-Selbst-Erfinden.
Ich habe meine persönliche Herangehensweise ans Kunst-Machen mal auf eine, wie ich finde, ganz griffige Formulierung gebracht: Ich weiß nicht, was Kunst ist, weiß nicht, was ich da mache. Deshalb muss ich jeden Tag, das Beste geben, um – wenn schon niemand weiß, was Kunst ist – zumindest die optimalen Voraussetzungen zur Herstellung von Kunst zu schaffen. Um zumindest das Gefühl zu haben, alles dafür getan zu haben, mein Bestes gegeben zu haben, dass Kunst entstehen kann.

Das Gefühl, alles gegeben zu haben, ist ein wesentlicher Faktor für Kunst. Wahrscheinlich der Wichtigste. Deshalb will ich, dass Leute in Zukunft ,wenn sie auf Ausstellungen oder in Museen gehen, verstehen, dass es genau darum geht. Dass es bei Kunst ums Alles-Geben geht, ums Sich-Selbst-Erfinden, um die Leistung, sich selbst zu erfinden. Nur so kann jeder – nicht nur die paar geistigen Höhenflieger, die zu verstehen scheinen, was Kunstkritiker in Feuilletons schreiben – etwas mit Kunst anfangen und von Kunst profitieren.